Was wäre wenn? Hypothetisches Museum+Archiv // Margret Holz, Projektraum B74, Luzern Diskursive Betrachtung von Jana Avanzini, Luzern, Juni 2020

Stahl ist ihr Material. Und Holz. Die Materialien ihres tagtäglichen Schaffens. Doch in Luzern zeigt Margret Holz ihre andere Arbeit. Das «Hypothetische Museum+Archiv», gegründet 1988 in Berlin. Ein Projekt, bei-welchem Holz Geschichte schürft.

«I’m working «underground» like a miner. And what I’m mining? A lot of fragments, time as material and unknown pieces.»
Mit spontanen situationistischen Aktionen, Installationen und Interventionen reagiert Holz vor Ort auf die Geschichte eines Platzes. Sie recherchiert, dokumentiert und reflektiert die Geschichte in zeitkritischen Arbeiten, Aktionen und einem jährlichen Plakat.
Der Ursprung des Projekts: Noch zu Zeiten der Mauer, auf Holz’ Arbeitsweg in Berlin, fielen ihr Arbeiter auf. Sie suchten nach Munition auf dem Gelände der ehemaligen Krolloper. Hier sollte ein neues Gebäude entstehen. Hier deutete kaum etwas auf die Geschichte hin. Hier gab es modernste Ästhetik, neue Musik. Vor dem zweiten Weltkrieg. Hier, am Dirigentenpult der Oper, geschlossen von den Nazis, stand Hitler am 23. März 1933 und erhielt freie Hand. Ein Ort des Verbrechens, ein Ort der verlorenen Zukunft. Ein Ort von zerstörter Kultur. «Jede Stadt ist voll von solchen Orten.»
Projekt: Passage Mémoire Paris – Berlin, Station I,II, III, Station III: Experiment Krolloper 2005:
Ihre Bilder im B74 zeigen die Gesichter der Künstlerinnen und Künstler, die Anfang der 1930er-Jahren aus ihrem Kulturhaus, der Krolloper, flüchten mussten – nach Paris und weiter. Sie zeigen die Baustelle der gläsernen Pyramide in Paris – und Holz setzt die Künstler*innen der Krolloper in diesen neuen Ort. Holz vernetzt und schichtet die Stationen ihres Museums – über die Jahrzehnte hinweg, verbunden durch das Reduit.*
Im Fokus stets die Frage: «Was wäre wenn?» – im Jetzt, im Vorher und in der Zukunft. Es ist eine politische Arbeit, das Projekt des Hypothetischen Museums. Auch ein kulturpolitisches. Denn auch die Verantwortlichen der Museen fragt Margret Holz in ihrer Arbeit: Was wäre wenn? Wenn man sich öffnen und die Institution neu denken würde?

Die Künstlerin setzt erstmals Fuß auf Luzerner Grund und ist froh, sich durch die Ausstellung in der Baselstrasse neben ihrer plastischen, skulpturalen Haupttätigkeit wieder stark ihrem philosophischen, politischen Kunstprojekt zu widmen. Sich auch selbst darin zu fragen, was könnte oder sollte anders sein. Wohin könnte es sich bewegen.

Auf dem aktuellen Plakat, Teil der Ausstellung – steht «liberated but not free». Ein Zitat aus einem DP-Camp – einem Lager zur Unterbringung von Displaced Persons. Menschen, befreit aus dem Krieg, aus Konzentrationslagern, aus der Zwangsarbeit, aber nicht zuhause, nicht frei. Ein historisches Zitat, rückt im Hypothetischen Musem ins Jetzt. Es drückt Entsetzen aus – über den Fortgang der Geschichte. Darüber, wie heute Menschengruppen kaserniert und ausgeschlossen von unserer Gesellschaft leben.
Eine ungewöhnlich ernste Aussage für Holz, die den Betrachtenden sonst gerne mit ironischen Aussagen, dem Schmunzeln darüber, den Kopf öffnet. Mit «Kann denn Wohnen Sünde sein?», ein Plakat, zum Beispiel.
*Reduit ist die Station II der Passage Paris-Berlin und fungiert als Scharnier zwischen Station I und III.